23 + 2 ODER: 4U 9525

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#unitedbywings
#4U9525

Die mediale Berichterstattung über das tragische Ende des 4U Fluges heute morgen reisst nicht ab.
Immer neue Informationen erreichen uns, die 148 Opfer fangen an Gesichter zu erhalten; ihre Wohnorte, ihre Hintergründe, ihr Alter, einzelne Schicksale werden bekannt.

Ich stehe seit Bekanntwerden des Unglückes total neben mir.
Ich habe heute den ganzen Tag mit einem Freund, der als Flugbegleiter bei Germanwings arbeitet, Kontakt gehalten und weder er noch ich sind in der Lage, Worte für das zu finden, was da heute passiert ist.

Wir als Crew steigen Tag für Tag in die Flugzeuge.
Es ist so normal, wie für jeden anderen das Betreten des Büros.

Ich sehe die Crew des Fluges 4U9525 in Gedanken vor mir; gehe ein Stück mit ihnen.
Wie sie vielleicht gestern Abend im Hotel zusammengesessen haben. Gelacht, getratscht, bei einem Glas Bier oder Wein und einem Zigarettchen den Feierabend genossen haben.
Wie Ihnen die Beine wehgetan haben, von den vielen Flugstunden, die der beginnende Sommerflugplan mit sich bringt.
Wie sie sich auf zu Hause gefreut haben.
Evtl. nach mehrtägiger Abwesenheit.
Wie sie am morgen den Wakeup-Call vom Hotel bekommen haben; ihre Sachen in den Koffer gepackt haben, in ihre Uniformen geschlüpft sind, Makeup aufgelegt haben und beim Early Bird den überlebensnotwendigen Kaffee getrunken haben, als es draussen noch ganz dunkel war und die ganze Stadt noch zu schlafen schien und sich alles so anfühlt, als sei es in Watte gepackt.
So leise und weich.
Wie sie zum Flughafen gefahren wurden.
Wie sie durch die Security gegangen sind und anschliessend zum Crewausgang marschiert sind.
Ich höre die Absätze der Uniformpumps auf dem Fussboden klackern.
Sie wurden zum noch menschenleeren Flieger gefahren.
Entweder sie haben ihn versiegelt vorgefunden, oder ein Techniker wartete auf die Crew zur Übergabe.
Der Flieger war zu diesem Zeitpunkt dunkel, leer und kalt.
Dann füllten sich im Laufe der Flugvorbereitungen der Flieger mit Leben.
Es wurden Checklisten gelesen, das Catering beladen, das Flugzeug betankt, die Kabine vorbereitet.
Nachdem alle Passagiere an Board waren, wurde die letzte Kabinentür geschlossen.
„Cabin Crew, all doors in flight and cross-check!“
Für immer.

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Das letzte große Unglück, was einen unmittelbaren Affekt auf unsere Arbeit hatte, war tatsächlich 9/11.
Und obwohl auch das Trauer, Wut und Ohnmacht in jedem von uns hervorgerufen hat, war es doch unendlich weit weg.
Auch die vielen anderen Unglücke, die seitdem bis zum heutigen Tage passiert sind, waren nicht so greifbar.
Sie sind „weit weg“ passiert.
„Weit weg“ impliziert doch schliesslich schlechte Wartung, veraltete Technik, schlecht geschultes Personal.

Und jetzt?
Jetzt ist es hier passiert.
Inmitten von uns.
Einer zu einem Weltkonzern zugehörigen Airline.
Auf einer „Allerwelts-Strecke“.
Kein Krisengebiet, kein schwieriges Flugwetter…
Wenn so ein Flug bei uns auf dem Dienstplan stand, war unser Briefing meist kurz und knackig: „Wir eiern auf der Ölspur runter, drehen die Kiste schnell um, fliegen zurück und machen pünktlich Feierabend.
Ansonsten alles „Standard-Operation“.“

Am heutigen 24.03.2015 wurde aus einer Standard-Operation eine Non-Standard-Operation mit tragischem Ausgang.
Wir alle sind für Notfälle geschult und müssen regelmässig ins sogenannte „Recurrent-Training“, um Notszenarien durchzuspielen und aufzuarbeiten, jeder von uns hat im Hinterkopf, dass etwas passieren KANN.
Aber zwischen KANN und IST ist ein himmelweiter Unterschied.
Dazwischen liegt die Realität.
Und die hat die Fliegerwelt heute ereilt.

Es wurden Mahnwachen an den Flughäfen gehalten, im Netz werden im Sekundentakt virtuelle Kerzen entzündet und Trauerschleifen geposted und die Fassungslosigkeit geht um die ganze Welt.

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Ich habe heute viel geweint, ich habe meine kleine Maus ganz fest an mich gedrückt und dem lieben Gott gedankt, dass ich heute hier sein und all das Glück in meinen Händen halten darf.
Ich habe allen gesagt, wie sehr ich sie liebe.
Vergisst man doch von Zeit zu Zeit, dass jeder Tag der letzte sein kann.

Schlussendlich bin ich an meinen Kleiderschrank gegangen, habe einmal über meine Uniform gestrichen, meinen Wing geradegerückt und die Tür dann fest verschlossen.

In Gedanken bin ich bei den Angehörigen der Opfer.
Ehefrauen-/männer und Familien der Crew, die sich auf den heutigen Feierabend mit ihrer Frau/Mann/Mama/Papa/Tochter/Sohn gefreut haben.
Die Eltern der verunglückten Schüler, die Großeltern der beiden Babys, die an Bord waren.
Allen, die am Mittag am Flughafen Düsseldorf standen und statt von ihren Liebsten in die Arme vom Seelsorgern genommen wurden.
Alle, die in Barcelona „Adios“ gesagt haben, ohne zu wissen, dass es das letzte Mal gewesen ist.
Ich trauere mit euch und weine mit euch.

4U9525 – may your souls rest in peace.

„Cabin Crew, all doors in park…“

Bild: Pixabay.com

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